Diejenigen von Euch, die schon einmal eine regelmäßige Briefeschreibveranstaltung organisiert haben, wissen, dass diese normalerweise nur von einer sehr begrenzten Anzahl von Menschen besucht wird, und die Zahl derer, die regelmäßig daran teilnehmen, ist noch geringer. Die Menschen, die solche Veranstaltungen besuchen, sehen oft nicht den Sinn des regelmäßigen Briefeschreibens oder finden es kompliziert und langweilig und lassen keinen Platz in ihrem Terminkalender dafür.
Warum organisieren wir diese Veranstaltungen trotzdem weiter, obwohl die Resonanz bei unseren eigenen Mitstreiter:innen so gering ist?
Lasst uns mit dem einfachen Teil beginnen. Veranstaltungen zum Briefeschreiben sind dazu da, Raum für praktische Solidarität zu schaffen – Du kannst zu einer Veranstaltung kommen und Briefe an die inhaftierten Gefährt:innen schreiben (die Du meistens nicht persönlich kennst, aber wichtig findest, um sie zu unterstützen). Oft sind wir auf uns allein gestellt, wenn wir solche Unterstützungsbriefe schreiben oder die Kommunikation aufrechterhalten. Bei den Veranstaltungen zum Briefeschreiben gibt es Leute, die einem Ratschläge geben können, was im Brief geschrieben werden kann und was nicht und wie man eine Beziehung zu eine:r inhaftierten Gefährt:in aufbaut.
Das ist etwas, das bei jeder Briefeschreibveranstaltung auftaucht. Oft ziehen es die Leute bei solchen Veranstaltungen vor, Postkarten zu schreiben, anstatt einen längeren Brief und das ist auch gut so. Postkarten schaffen keine längere Kommunikation, aber sie sind wichtig für die Gefangenen, um den Kampfgeist aufrechtzuerhalten und zu sehen, dass die Menschen sie außerhalb der Gefängnismauern nicht vergessen.
Der Aufbau einer längeren Kommunikation mit eine:r Gefangenen ist immer kompliziert. Es erfordert viel Hingabe, aber auch Disziplin. Die wenigsten von uns haben die Zeit, unseren Gefährt:innen direkt nach Erhalt eines Briefes zu antworten. Meistens legen wir ihn beiseite und versuchen, einen Zeitpunkt für eine spätere Antwort zu finden. Das kann sich über Monate hinziehen, was sich für Menschen im Gefängnis anders anfühlt als für viele von uns draußen.
Wir glauben, dass Briefschreibveranstaltungen eine Antwort auf das ständige Problem sind, Zeit zu finden, um Briefe/Botschaften an unsere Gefährt:innen hinter Gittern zu schreiben. Anstatt mehrere Stunden in einer arbeitsreichen Woche zu suchen, kannst Du einfach einmal im Monat ein bestimmtes Datum planen, an dem Du gemeinsam mit anderen an Solidarität interessierten Mitstreiter:innen vorbeikommst und jeder Person, die Du unterstützen möchtest, eine Antwort schreibst. Und selbst wenn Du seltener Antworten von Gefährt:innen bekommst, weil z.B. die Post langsam zugestellt wird, kannst Du trotzdem Postkarten an die anderen schreiben und so die Solidaritätsarbeit aufrechterhalten.
Das Briefeschreiben sollte zu einem der Rituale werden, die in der revolutionären Bewegung immer präsent sind. Wir haben einige jährliche Ereignisse, die wir versuchen, auf jeden Fall wahrzunehmen: zum Beispiel ist der 8. März ein internationaler Tag des feministischen Kampfes oder der 1. Mai ein Tag des Arbeitskampfes. Auch in unserem persönlichen Leben gibt es viele dieser rituellen Tage, die mit wichtigen Ereignissen oder sozialen Feiern wie Geburtstagen oder Neujahr verbunden sind. Briefaktionen sind eine wichtige Bekundung der Solidarität innerhalb unserer Gemeinschaften.
Wir rufen daher unsere Mitstreiter:innen in verschiedenen Teilen der Welt auf, diese Tradition zu pflegen und sie trotz aller Herausforderungen und Probleme beizubehalten. Solidarität ist eine Waffe, die immer in guter Form gehalten werden sollte, was eine Menge Arbeit erfordert. Schreibt Briefe, schreibt Postkarten, unterstützt die Menschen in den Knästen!
Bis alle frei sind
Anarchist Black Cross Dresden