Wir wollen nun noch einige Gedanken zu Neonazis in Knästen mit euch teilen. Nicht nur aus aktuellem Anlass, sondern auch, weil der Knast Teil einer rassistischen Gesellschaft ist und dementsprechend auch Rassist*innen im Knast sind. Wieso sollten wir Faschist*innen einsperren wollen?
Vielleicht weil wir denken, dass dadurch die Gefahr des Faschismus aus unserer Gesellschaft beseitigt wird? Vielleicht weil wir denken, dass die Menschen im Knast einsichtig und einfühlsam werden? Wünschen wir uns vielleicht, dass wir ein paar Jahre Ruhe haben – oder sogar für immer? Oder glauben wir, wenn Menschen so was Schlimmes tun, müssen sie doch bestraft werden? Vielleicht auch weil wir denken, dass dadurch die Opfer ein ruhigeres Leben führen können, „endlich wieder ruhig schlafen können“? Doch können von Gewalt betroffene Menschen wirklich „endlich wieder ruhig schlafen“, wenn die Täter*innen eingesperrt werden?
Mit Sicherheit ist es eine gewisse Genugtuung, wenn Menschen, die Dir Schreckliches angetan haben, dafür bestraft werden. Vielleicht funktioniert dann mein Alltag ein kleines bisschen besser, aber wenn ich in einer fremdenfeindlichen Gesellschaft lebe, wird der Grundzustand nicht besser, nur weil der*die Schlimmste von Cops abgeholt wurde, die anderen sind ja noch immer da. Wenn das Problem eine Ideologie ist, dann hilft das Wegsperren von Individuen gar nichts.
Knäste sind auch keine schwarzen Löcher in denen die Faschist*innen verschwinden, sie organisieren sich dort weiter, sie geben ihre Gedanken weiter und bauen Netzwerke auf. Der Knastalltag ist bestimmt von unzähligen Regeln, einem strikten Ablauf, Hierarchien, Arbeit und Ausbeutung. Wieso sollten Menschen aufhören rassistisch oder faschistisch zu denken und zu handeln, wenn sie sich in einem Umfeld wieder finden in dem Autorität und Gewalt genutzt werden um Probleme zu lösen genauso wie draußen auch. Wie soll ein Mensch in diesem Umfeld einfühlsam und empathisch werden?
Für immer weggeschlossen – bedeutet das nicht auch, dass eine Person nur soweit ihr Verhalten ändern wird, wie es der Erleichterung der Haftbedienungen dient. Davon auszugehen, dass sich eine menschenverachtende Ideologie aufgrund von Zwang ändert, das ist absurd. Nein, auf lange Sicht hilft der Knast den Betroffenen von Gewalt nicht, vor allem nicht, wenn die Gewalt aufgrund einer Ideologie ausgeübt wird. Aber sollten wir Menschen, die etwas Schreckliches tun, nicht in irgendeiner Weise dafür bestrafen? Vermutlich nicht, denn es ist nicht das Individuum das Problem. Das Problem sind die Strukturen, die das Individuum zu einer*einem Faschist*in gemacht haben.
Eine Gesellschaft, deren Autoritäten mit Gewalt und Strafe Probleme lösen, dich aber als falsch und böse beschimpfen, wenn du es genauso machst… Nehmen wir einen faschistischen Menschen aus diesem System werden neue nachwachsen solange das System nicht geändert wird. Sehen wir uns die Reaktion auf geflüchtete Menschen in der Gesellschaft an. Schnell wird klar, dass nicht einzelne Neonazis den rassistischen Grundzustand herstellen. Es ist die gesamte Gesellschaft, die dann so gern mit dem Finger auf das Individuum zeigt. Angefangen bei der kleinbürgerlichen Angst etwas weggenommen zu bekommen und der überkritischen Haltung allem Neuen gegenüber, über die Behörden, welche tagtäglich zugezogene Menschen schikanieren, über die Polizei, welche unverhohlen eine Täter-Opfer-Umkehr betreibt und Migrant*innen verdächtigt, wie es besonders beim NSU komplex deutlich wurde. Bis hin zum Verfassungsschutz, einem Geheimdienst der rechte Strukturen unterstützt und Jahrelang bewusst wegschaute.
Die Pyramide der menschenverachtenden Gedanken steht auf einem breiten Fundament. Dieses Fundament wird von der Mitte der Gesellschaft mitgetragen. Der einzige Unterschied ist, dass Wenige bereit sind diese Gedanken zu einem offene faschistischen, rassistischen Weltbild zuzuspitzen. Der Ausgangspunkt ist die, in der Gesellschaft verbreitete, Akzeptanz faschistischer und rassistischer Gedanken und nicht das verwirrte, fehlgeleitete Individuum.
Und gerade deshalb sind wir als Anarchist*innen überzeugt, dass kein Mensch von Grund auf schlecht ist. Wir sind überzeugt, dass alle Menschen bis an ihr Lebensende in der Lage sind zu lernen. Als Anarchist*innen sind wir überzeugt, dass auch mit Menschen, die diese Gesellschaft als hoffnungslose Fälle ansieht, anders umgegangen werden kann und muss. „Wegsperren“, sehen nur die als eine Alternative, die Ihre Augen vor den gesellschaftlichen Problemen verschlissen wollen. Für alle, die sich selbst als “normal” und “gut” definieren. Nicht für uns und nicht für euch.
Wie nun weiter? Die Knäste werden nicht morgen verschwunden sein und Faschist*innen gibt es dann sicher auch noch. Aber es gibt eben auch linke Organisierungen in Knästen, Menschen mit emanzipatorischen Gedanken und die gilt es zu stärken. Schreibt ihnen Briefe um ihnen den Rücken zu stärken und mit ihnen in einen Austausch zu treten. Schickt ihnen Infomaterial, wenn sie das wollen. Egal ob ihr im Knast sitzt oder draußen seid, solidarisiert euch mit der Gefangenengewerkschaft oder tretet ihr bei. Lest und informiert euch und redet mit den Menschen in eurem Umfeld. Sucht nach Menschen, die so denken wie ihr und versucht für emanzipatorische Gedanken einzustehen und zu kämpfen, soweit es euch möglich ist.
Auch ein kleiner Schritt ist ein Schritt!
Nieder mit allen Knästen, nieder mit dem Strafsystem nieder mit der “Law and Order”-Ideologie!!