Eine Chronik der Repression gegen Anarchist*innen und Antifaschist*innen im Jahr 2024 in Belarus

Das größte „Novum“, das uns im vergangenen Jahr begegnete, waren massive Repressionen gegen ehemalige politische Gefangene und deren Angehörige. Am 23. Januar fanden unzählige Hausdurchsuchungen und Festnahmen von Angehörigen statt, ihre Telefone wurden ihnen weggenommen und durchsucht. Begründet wurden diese Festnahmen mit den Vorwürfen der „Finanzierung extremistischer Gruppen“ und „Teilnahme an extremistischen Gruppen“. 

Unter dieser Anschuldigung wurden am 19. Juli auch Aliaksandr Frantskevichs Mutter und Tante festgenommen, als sie Aliaksandr ein Paket in den Knast bringen wollten. 

Ansonsten unterschied sich das letzte Jahr nicht sonderlich vom Jahr 2023: Druck und Schickane gegenüber Gefangenen steht weiterhin an der Tagesordnung: Post für Gefangene wird zerstört und nicht zugestellt,die Unterbringung von politischen Gefangenen in Straf- oder Hochsicherheitszellen, oder neue Strafverfahren nach Artikel 411 „Bösartiger Ungehorsam gegen Befehle der Verwaltung einer Institution, die Gefängnisstrafen vollstreckt“.

Von Strafkolonie zu Strafkolonie

Zu Beginn diesen Jahres, am 4. Januar wurde Aliaksandr Frantskevich von der Strafkolonie Nr. 11 zuerst in die Kolonie Nr. 5 und dann nach dem „Prozess“ nach Artikel 411 schließlich in die Kolonie Nr. 8 verbracht. Am 8. August wurde bekannt, dass Dzmitry Rezanovich direkt nach seinem „Prozess“ in die Kolonie Nr. 14 gebracht wurde. Umittelbar nach seinem Eintreffen wurde er für 20 Tage in eine Strafzelle gesperrt.

Unterbindung von Kommunikation

Am 20. Februar erfuhren wir, dass  Briefe von Andrei Chapiuk nicht verschickt wurden und somit jegliche Kommunikation blockiert war. Außerdem gab es über fast zwei Monate keinen Kontakt mit dem Antifaschisten Tamaz Pipija.

Unterbringung in einer Einzelstrafzelle

Am 12. Juli 2024 wurde die Höchstdauer des Aufenthalts in einer Strafzelle von 10 auf 15 Tagen erhöht.

Tamaz Pipija musste so beinahe einen Monat von Mitte Februar bis zum 7. März in eine dieser Zellen verbringen. Außerhalb der Einzelzelle wird Tamaz rund um die Uhr noch strenger überwacht als alle anderen: Einzelne andrer Gefängnisinsassen werden beauftragt ihn zu beobachten.

Ihar Alinevich entschied sich vom 13.-26. Juni in einen Hungerstreik einzutreten, um  von einer Strafzelle im Zhodzina Gefängnis, endlich ins Krankenhaus verlegt zu werden. Nachdem er schließlich in einem schlechten und abgemagerten Zustand im Krankenhaus untersucht wurde und dort der Verdacht auf ein Magengeschwür gestellt wurde, wurde Ihar direkt aus dem Gefängnis wieder in eine Einzelstrafzelle gesperrt

Verschärfung der Regeln

Am 11. April wurde Tamaz Pipija in eine gesonderte Strafzelle (PKT) verlegt. Am 1. Juni wurde bekannt, dass Akikhira Hajeuski-Khanada für mehrere Monate in diese Zelle gesperrt wurde. Später, im November erfuhren wir, dass Akikhira noch im Sommer direkt von der PKT in den Vollzug verlegt wurde.

Sergej Romanow wurde für 5 Monate in die PKT gesperrt, diese Information erreichte uns im Juli.

Im Oktober erfuhren wir, dass Dzmitry Rezanovich insgesamt über sechs Monate lang in der PKT eingesperrt war.

Neuer Paragraph „Ungehorsam gegen Befehle der Verwaltung“

Der am häufigste verwendete Straftatbestand, der vom belarusischen Regime gegen politische Gefangene genutzt wird, ist Artikel 411 „Bösartiger Ungehorsam gegen Befehle der Verwaltung einer Institution, die Gefängnisstrafen vollstreckt“. Durch diesen Paragraphen können Gefangene für nahezu unbestimmte Zeit im Knast oder einer Strafkolonie gefangen gehalten werden.

Am 30. Januar wurde ein Prozess gegen Dzmitry Rezanovich unter diesem Paragraphen eröffnet, am 5. Mai erreichte uns schließlich die Information, dass seine 19-jährige Gefängnisstrafe deshalb um 9 weitere Monate verlängert wurde. 

Seit dem 30. Mai wissen wir, dass gegen Aliaksandr Frantskevich ein Prozess unter dem gleichen Paragraphen eröffnet werden wird. Am 24. Juni verfügte das sogenannte „Strafgericht“, dass Aliaksandrs 17-jährige Gefängnisstrafe um ein weiteres Jahr verlängert werden würde.

Am 17. Juni wurde auch gegen Mikalai Dziadok ein Prozess unter Paragraph 411 eröffnet. Im September erhielten zwei weitere Gefangene Haftstrafen unter §411: am 5. September wurde Tamaz Pipiya zu weiteren 1,5 Jahren Gefängnis verurteilt, sodass seine Gsamtstrafe nun 6,5 Jahre Knast lautet. Am Ende des Monats wurde Sergey Romanov zur Maximalstrafe über zwei Jahre unter diesem Paragraphen verurteilt, sodass der Anarchist jetzt zu beinahe 23 Jahren Knast verurteilt wurde.

Ein paar gute Nachrichten zum Schluss

Im April kamen zwei Personen aus dem Knast entlassen: Krystsina Charankova und Vadzin Dzenisenka.

Die Antifaschistin Krystsina Charankova wurde am 22. März 2022 wegen Kriegs- und Polizeikritischer Posts auf Instagram festgenommen und wurde daraufhin eingesperrt. Vadzin Dzenisenka wurde im Dezember 2021 zu 2,5 Jahren Knast verurteilt, nachdem er Flyer und Sticker über die Anarchistische Gruppe „Pramen“ verteilte. Wir wissen nichts über Vadzim’s sonstige politische Ansichten, aber seitdem er für das Verteilen von anarchistischem Material bestraft wurde, untererstützte ihn das ABC.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen