Am 31. Oktober fiel der anarchistische Gefährte Kyriakos Xymitiris bei einer Explosion in einer Wohnung in Athen im Kampf für die soziale Beifreiung. Die anarchistische Gefährtin Marianna erlitt schwere Verletzungen und wurde nach ihrer Behandlung im Evangelismos-Krankenhaus unter ständiger Polizeibewachung am Freitag, den 15.11. ins Korydallos-Gefängnis verlegt. Nach den Ereignissen vom 31. Oktober wurden auch die Gefährt*innen Dimitra Z., Dimitris, Nikos R. und A.K. im U-Haft-Gefängnis von Korydallos inhaftiert. Die fünf Gefährt*innen wurden nach dem Antiterrorgesetz 187A angeklagt: Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Besitz und Herstellung von Sprengstoff, sowie Beschädigung von Privateigentum.
Der Druck der griechischen Anti-Terror-Einheit, die Hand in Hand mit dem zuständigen Haftrichter arbeitete, führte zur vorzeitigen Entlassung der Gefährtin Marianna aus dem Krankenhaus, wobei die Leitung des Evaggelismos-Krankenhauses keine Verantwortung für ihre Patientin übernahm. Wie alle Gefängnisse der Welt ist auch Korydallos ein Ort der Misshandlung und schechten Bedingungen. Der Frauentrakt des Gefängnisses wird noch mehr vernachlässigt als der Männertrakt und ist damit ein getreues Abbild der patriarchalen Gesellschaft, in der wir leben. Die Folter, die der Gefährtin zugefügt wird, hat ihre Wurzeln in den klassischsten Praktiken des westlichen Patriarchats, das versklavend und kolonial ist. Das Rauben der Subjektivität und die Objektifizierung ihres Körpers durch gewaltsame Manipulation ist eine historische Praxis des weißen Patriarchats. Dieses versucht von den europäischen Staaten aus den Mythos eines äußeren Feindes zu schaffen – eines Feindes of Colour, mit einem anderen Alphabet. Es ist jedoch klar, dass das Patriarchat ein aktueller Feind ist, der aus der westlichen Welt kommt, und wir sehen es heute in der Misshandlung, der unsere Gefährtin und viele andere Inhaftierte ausgesetzt sind.
Auch die Ausbeutung der persönlichen Daten und Körper der beschuldigten Gefährt*innen begann mit verschiedenen, vom Staatsapparat ausgeführten Methoden, die alle dem Profit der herrschenden Macht dienten. Unter der Leitung der Anti-Terror-Einheit, der korrupten Politiker*innen der New Democracy und einmal mehr des Ministers für Bürgerschutz, M. Chrysochoidis. Ihre systematische Diffamierung der Gefährt*innen in den Medien, insbesondere durch die bekannten Hetzblätter und Schlagzeilen, ist ein weiteres Beispiel für die widerliche Rolle, die diese Kanäle bei der Verbreitung von staatlicher und kapitalistischer Propaganda spielen. Die Veröffentlichung von Fotos und Videos vom Ort des Geschehens ist ein Akt der Schändung, der das Andenken an den Gefährten Kyriakos entehrt und die Brutalität zeigt, der die Familie und die Angehörigen ausgesetzt sind. Darüber hinaus haben die griechischen Medien diese Situation schamlos ausgenutzt und persönliche Fotos der beschuldigten Gefährt*innen veröffentlicht, welche sie mit Hilfe der Anti-Terror-Einheit erhalten haben, die ihnen die persönlichen Daten der Gefährt*innen zur Verfügung stellte.
In den letzten Jahren haben wir Ermittlungen erlebt, die darauf abzielten, so viele Informationen wie möglich über die internationalen Bewegungen sowie Kontakte und Verhaltensweisen von Personen, die in mehr als einem Land aktiv sind zu sammeln und auszutauschen. Seit vielen Jahren sehen wir deutsche Cops, die auf griechischem Gebiet eine führende Rolle spielen. Sie versuchen Angst zu verbreiten und zu verhindern, dass Gefährt*innen Kontakte knüpfen und internationale Verbindungen und Netzwerke aufbauen. Sie beobachten Gefährt*innen, verwanzen Autos, führen Razzien durch, bilden griechische Cops aus und natürlich tauschen sie auch Informationen mit ihren griechischen Kollegen aus. Es ist nicht überraschend, aber dennoch erwähnenswert, dass die Identität von Kyriakos aufgedeckt wurde, nachdem deutsche Cops die Fingerabdrücke aus ihrer Datenbank zur Verfügung stellten und ihn als „linksextremistischen Terroristen“ bezeichneten. Die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem griechischen Staat ist ein einfaches, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel. Mit Organisationen wie Europol, die Ermittlungen in Europa koordinieren wollen, sehen wir, wie die Maschinerie der Repression ihr Netz über die ganze Welt ausbreitet, auch außerhalb der Festung Europa. Letztendlich kann uns kein Staat jemals auf dem Weg der Befreiung voranbringen und gerade in Fällen von sogenannten terroristischen Organisationen zeigen sich einmal mehr die Verbindungen und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Staaten.
Trotz aller Bemühungen des Staates und seines Apparates werden die Erinnerung und die Geschichte des Gefährten für uns alle ein Vermächtnis unserer Kämpfe sein, ein wichtiges Kapitel unserer Geschichte. Eine Geschichte, die von all jenen geschrieben wurde, die für ein besseres Leben, für eine andere Welt gekämpft haben. Und es ist diese Geschichte, die wir weiterhin gegen diejenigen verteidigen werden, die versuchen, sie zu diffamieren. Und es ist unsere aktive Solidarität und Entschlossenheit, die die Kämpfe weiterführen wird, die wir mit unserem Gefährten Kyriakos verbunden oder mit ihm geteilt haben. Er mag einen Schritt in Richtung Geschichte getan haben, gemeinsam mit all den Seelen, die sich dazu entschieden haben, sich dieser schrecklichen Welt entgegen zu stellen. Gemeinsam finden wir es unabdingbar, die Erinnerung lebendig zu halten, unseren Gefährten auf seinem Weg in die Geschichte zu begleiten und ein kämpferisches internationales Kapitel zu schreiben, das er schon lange vorher begonnen hat. Lasst uns das revolutionäre Gedenken verteidigen und unsere Trauer in einen Katalysator für die soziale Befreiung aller verwandeln.
Wieder einmal sehen und spüren wir die Bedeutung der internationalen Solidarität in unseren Kämpfen. Inspiriert durch den internationalen Aktionsaufruf zum 16.11. (Link hier), rufen wir als Berliner Versammlung im Gedenken an Kyriakos X. und in Solidarität mit den verfolgten Gefährt*innen zu internationalen Aktionstagen am 30.12, 31.12 und 01.01. auf. Gegen die Taktiken der Anti-Terror-Einheit, die Ausbeutung durch die Medien und die Diffamierung des Andenkens an unseren Gefährten. Unsere aktive Solidarität muss wie ein Schutzschild für unsere inhaftierten Gefährt*innen und gegen weitere Verfolgung sein. Wir lassen uns von der Repression nicht einschüchtern und stehen ohne zu zögern an ihrer Seite. Wenn sie unsere internationalen Kämpfe angreifen, müssen wir uns noch stärker für sie engagieren. Internationale Aufrufe wie dieser können als Meilenstein dienen, indem sie den Druck, den wir alle ausüben, auf einen bestimmten Zeitrahmen konzentrieren und dadurch beständige internationale Solidarität für die Angeklagten sowie internationale Gedenkaktionen für den Gefährten Kyriakos aufbauen.
Wir wählen die Tage um den 31. Dezember, um sie Kyriakos zu widmen, denn an diesem Tag sind zwei Monate seit dem Tod unseres Gefährten vergangen. Zwei Monate der Trauer und des Kampfes, der Wut, aber auch der Verbundenheit und Solidarität. Silvester ist ein weltweit bekanntes Datum, an dem jedes Jahr versucht wird, die Isolation und das Elend in den Gefängnissen zu durchbrechen, die an diesem Tag so offensichtlich werden. Vor Knästen auf der ganzen Welt versammeln sich Menschen, um eine Botschaft an die Inhaftierten zu senden. Wir wollen an diesen Tag anknüpfen und uns daran erinnern, dass Kyriakos davon überzeugt war, das Gefängnissystem zu zerstören, und an die fünf Genossen denken, die in dem konstruierten Fall verfolgt werden und jetzt im Korydallos-Gefängnis inhaftiert sind. Auf der Suche nach Möglichkeiten, das Bestehende zum Erschüttern zu bringen und das Gewaltmonopol des Staates anzugreifen, können wir uns auf diesen Tag beziehen. In Berlin ist es seit Jahren Tradition, an diesem Abend das neue Jahr mit neuen Konfrontationen gegen Cops auf der Straße zu beginnen. Der Abend des 31.12. ist einer der wenigen Abende, an denen es schwer für den Staat ist, das (Un-)Gleichgewicht in der Vorbereitung auf Konfrontationen zwischen einer großen Anzahl an Personen und den Autoritäten aufrecht zu erhalten. Und deshalb ist es ein Abend, an dem es oft zu Zusammenstößen zwischen der Arbeiter*innenklasse, Migrant*innen, Anarchist*innen, Marginalisierten und all jenen kommt, die sich entscheiden, den Autoritäten entgegenzutreten.
Wir rufen zwar für den 30.12. bis 01.01. auf, aber beständige Solidarität bedeutet nicht, dass wir unsere Aktionen auf einzelne Tage beschränken. Deshalb möchten wir alle ermutigen, sich diesem Aufruf anzuschließen – sei es in den Tagen um Silvester herum, davor oder danach.
Wir rufen alle dazu auf, in diesen Tagen das Gedenken an den Gefährten Kyriakos zu beleben und Solidarität mit den fünf verfolgten Gefährt*innen zu zeigen. Das bedeutet nicht nur, aktiv zu sein in Bezug auf die Situation, in der sie sich jetzt befinden, sondern auch die Kämpfe fortzusetzen, auf die sie sich beziehen und die Kämpfe, die wir mit ihnen verbinden können. Jede Aktion gegen Unterdrückung und Autorität kann Kyriakos gewidmet werden. Denn das Herz von Kyriakos Xymitiris und aller gefallenen Gefährt*innen schlägt für immer in den Straßen, in den Auseinandersetzungen, in den Momenten der Revolte, im Herzen aller, die gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen. Diejenigen, die ihr Leben im Kampf für die Freiheit verloren haben, leben für immer im Herzen der sozialen und klassenkämpferischen Aufstände. Das Feuer wird zurückkehren, um die Herzen derer zu wärmen, die nicht mehr hier sind und die nicht mit uns kämpfen können.
Nutzen wir die Kraft, die Kyriakos uns hinterlassen hat, und die Kraft, die Marianna, Dimitra, Dimitris, Nikos und A.K. uns aus den Zellen der Demokratie senden.