Unzählige Schikanen. Finn berichtet über seine U-Haft in der JVA Leipzig

Der Text stammt von der Soligruppe für Finn:

Finn ist Antifaschist und Klimaaktivist. Er hat sich unter anderem für den Erhalt von Lützerath und dem Heibo eingesetzt. Finn wurde am 16. Februar 2024 während der Räumung des Heibos festgenommen und nach mehreren Verlegungen ins Krankenhaus am 23. Februar 2024 in die JVA Leipzig verlegt. Am ersten Tag fragte er nach veganer Ernährung, woraufhin die Schließerin Finn auslachte und meinte: „Wir sind doch nicht im Hotel“ – und die Haftraumtür verschloss.

Eine Woche später hat Finn eine Arbeit bekommen und wurde auf eine andere Station verlegt, wo er einen PC-Auffrischungskurs machte. Dort hat er auch Briefe geschrieben. Einen Brief haben die Schließer*innen gefunden, in dem Finn Menschen zur Solidarität und Kundgebung an der JVA aufgerufen hat. Die Schließer*innen haben dies so dargestellt, dass Finn dazu aufrufe, dass Menschen die JVA stürmen sollen. Daraufhin ordnete die Staatsanwaltschaft Leipzig eine Postkontrolle durch die Sicherheit und Ordnung der JVA an. Der Sicherheits schließer hat Finn massiv schikaniert indem er Finn Briefe nur teilweise oder gar nicht aushändigte oder auch Briefe nicht versendete. Finn wurde seit Beginn seiner Haftzeit der Zugang zu seinem Antidepressivum und Beruhigungsmittel verwehrt, die er seit seiner Haft dringend benötigt, da er schwere Depressionen hat und zusätzlichem Stress ausgesetzt ist. Die vielen Anträge an die Anstaltsärztin änderten dies nicht, sodass sich sein Anwalt Winkler über die Staatsanwaltschaft Leipzig in der JVA meldete und es dann komischerweise problemlos funktionierte. Finn hat in einem Antrag um ein Gespräch mit dem Anstaltsleiter gebeten. Nachdem er wegen seiner Nachfrage zu veganer Ernährung ausgelacht wurde, fand drei Wochen später das Gespräch mit dem Anstaltsleiter statt. Der Anstaltsleiter zählte Finn die Gründe auf, wieso vegane Ernährung nicht angeboten werden könne, unter anderem wäre ja pflanzenbasierte Nahrung viel teurer als tierische Nahrung … Finn hat daraufhin gefragt, ob eine Selbstversorgung möglich wäre, was der Anstaltsleiter dann genehmigte. Von da an war Finn Selbstversorger. Als einmal eine Einzahlung von der Roten Hilfe e.V. später auf Finns Haftkonto ankam, konnte er nicht einkaufen. Da er nur alle 14 Tage einkaufen kann, hatte Finn kein Essen und musste mehr als eine Woche hungern. Auf Anfrage von Finn wurde ihm kein veganes Essen angeboten. Finn wurde nach ein paar Tagen vegetarische Nahrung angeboten nachdem mehrere X-User*innen (ehemals Twitter) davon berichteten. Finn hat die vegetarische Nahrung abgelehnt, denn lieber hungert Finn anstatt Tierenzu schaden. Trotz alldem gibt Finn nicht auf. „Ich habe jeden, jeden Tag Hoffnung und ich werde niemals aufhören zu kämpfen“ meinte er in einem Interview mit RadioBlau.

Die Anstaltsärztin hat die Medikamente von Finn ohne jegliche Rücksprache abrupt abgesetzt. Auf Anfrage teilte sie seinem Anwalt mit: „Nach Abspra che mit seinem behandelnden Psychiater wurden die Medikamente abgesetzt“. Mit Hinblick darauf, dass es sich bei dem einen Medikament um ein Antidepressivum handelt und Psychiater*innen die Risiken für abruptes Absetzen kennen, wird der Psychiater das nicht befürwortet haben – aber das Knastpersonal deckt sich untereinander. Psychiater*innen wissen,dass Langzeit-Medikamente ausgeschlichen werden müssen, da es sonst zu starken Nebenwirkungen kommen kann. Nach fünf Tagen machte sich bei Finn das unverantwortliche Handeln der Anstaltsärztin stark bemerkbar. Finn bekam grippeähnliche Symptome und als Finn abends telefonierte, konnte er die linke Seite seines Körpers nicht mehr bewegen. Daraufhin hat die angerufene Person umgehend in der JVA angeru fen. Schließer*innen waren schnell vor Ort und brachten Finn in die Ambulanz zur Nachtdienst habenden Notfallärztin. Aufgrund der Symptome wurde Finn mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte und Pfleger*innen ihn sofort auf einen Herzinfarkt untersuchten, was glücklicherweise nicht festgestellt werden konnte. Auf Nachfrage des behandelnden Arztes teilte Finn mit, dass die Anstaltsärztin das Antidepressivum u.a. einfach abrupt abgesetzt habe und dass es ihm deutlich schlechter gehe. Der Arzt sagte zu Finn, dass dies Körperverletzung sei und er die Anstaltsärztin wegen Körperverletzung anzeigen solle, was Finn mit seinem Anwalt auch machte. Aber die Staatsanwaltschaft Leipzig hat die Anzeige eingestellt, weil ja alles gerechtfertigt gewesen sei. Die Anstaltsärztin hatte Finn in die Ambulanz bestellt, wo er auch hinging. Da wollte die Anstaltsärztin eine Blutabnahme für die Untersuchung auf Medikamente und BTM-Missbrauch, was Finn verweigerte mit den Worten „Ihnen gegenüber muss ich keine Blutuntersuchung mitmachen, es sei denn sie haben einen richterlichen Beschluss und Urin-Kontrollen muss ich nur durch die Anordnung der Anstaltsordnung mitmachen. Sie sind nur eine Ärztin und haben keine Befugnis und da sie weder einen richterlichen Beschluss noch eine Anordnung vom Anstaltsleiter haben, lehne ich diese Untersuchung ab“. Die Anstaltsärztin stänkerte, was Finn nicht interessierte und die Ambulanz wortlos verließ.

Finn wird von den Schließer*innen in einer Tour schikaniert und diskriminiert. Das  Knastpersonal macht Finn immer wieder deutlich, dass sein Klarname seine Identität sei und nicht der selbsternannte Name „Finn Siebers“. Der Abteilungsdienstleiter hat Finn u.a. unterstellt, dass er doch Identitätsbetrug begehe, denn er heiße ja nicht so und es gebe einen echten Finn Siebers in der JVA Leipzig. Und er mit dem Slogan #freeFinn und Finn Siebers Betrug begehe. Hinsichtlich dessen, dass Finn seinen Namen seit 2021 in Lützerath nutzt, hat dieser Name keinerlei Zusammenhang mit dem anderen Finn. Finn hat den Abteilungsdienstleiter wegen Verleumdung angezeigt. Weiterhin wird Finns Identität abgelehnt. Viele Briefe werden Finn überhaupt nicht ausgehändigt sondern gehen direkt „Zur Habe“, weil es hier keinen Finn Siebers gebe und er heiße auch nicht so. Alle Briefe für ihn sind mit c/o Scheffel markiert, also ist es zweifelsfrei erkennbar, dass diese Briefe für und von Finn sind. Finns Anträge liegen meist Tage oder Wochen lang unbeantwortet herum, zum Beispiel bei der Sozialarbeiterin – und wenn er mal bei ihr ist, muss alles innerhalb von fünf Minuten sein. Anträge an die Kammer-Schließerin werden wochenlang nicht bearbeitet, sein letzter Antrag wurde überhaupt nicht bearbeitet, da die Kammer-Schließerin der Meinung war, dass dies nicht mehr nötig wäre. Finns Haftraum wird willkürlich mehrmals in der Woche kontrolliert. Da Finn aber keine illegalen Gegenstände besitzt, zum Beispiel Handy, Drogen,Waffen … wird immer irgendetwas Willkürliches entfernt, was ihm genehmigt wurde, um die Machtposition auszuüben. Bei der letzten Haftraumkontrolle wurde der Haftraum von Finn fast leer geräumt und in dieser Zeit wurde Finn in einem anderen Raum gesperrt, ohne Zugang zu einer Toilette und Trinken. Auf Rufe, dass er Durst habe und auf Toilette müsse, wurde nicht reagiert. Finn hat den Schließer u.a. wegen Nötigung und Körperverletzung angezeigt. Die Staatsanwaltschaft Leipzig führt ein gesondertes Ermittlungsverfahren wegen Nötigung und Korruption als Amtsträger. Finn hat in seinem Haftraum ein Plakat hängen, wo drauf steht „Gegen Rassismus und Racial Profiling im Bahnhofsviertel und überall“. Da meinte ein anderer Schließer, wenn er doch so ein Plakat aufhänge, solle er doch aufhören gegen Staat, Justiz und Polizei zu sein, denn sie wären auch eine Rasse und es wäre ja auch Rassismus. Da hat Finn dem Schließer klar und deutlich gemacht, dass er als Person nichts gegen ihn habe, sondern nur gegen seine Arbeitgeber*innen. „Ich bin gegen die Justiz und nicht gegen einzelne Personen – sondern gegen das System“.

Finn ist einer der privilegierten Gefangenen, der mit seiner Erfahrung und Wissen anderen Gefangenen hilft. Ausländische Bürger*innen werden in der JVA Leipzig entmenschlicht. Wer kein Deutsch sprechen kann, hat es sehr schwer. Es fängt bei der Hausordnung an, die es nur in Deutsch gibt so wie alle Anträge. Also wer kein Deutsch kann, weiß nicht einmal wie er seine Familie oder Bekannt*innen anrufen kann oder einen Besuchstermin machen kann. Es wird ihnen auch nicht gesagt, dass sie einen Dolmetscher bekommen können. Ein Mitgefangener und Finn haben sich stark für sie eingesetzt. So hat Finn dessen Zellenkumpan geholfen, dass er seine Mutter anrufen kann und dass ein Dolmetscher in die JVA kommt. Ohne diese Hilfe hätte er bis heute seine Mutter nicht anrufen können und keinen Dolmetscher sprechen können. Finn hat angefragt ob es die Hausordnung oder Anträge auch in anderen Sprachen gebe. Da teilte der Stationsschließer der Station 2 Finn mit, dass wir ja in Deutschland seien und die Amtssprache ja Deutsch sei. Und wer sie nicht könne, habe eben Pech oder müsse sie lernen. Aber dafür kennen die ausländischen Bürger*innen die deutschen Wörter „Später“ & „Einschluss“. „Seit Beginn 2024 war dieser Mitgefangene mir eine sehr große Hilfe, er hat sehr stark den ausländischen Bürger*innen geholfen, die teils monatelang auf ihren Prozess warten wegen geringfügigen Diebstahls – z.B. ein Glas Würstchen und ein Brötchen“. Vor ca. drei Monaten wurde der Deutschkurs für die ausländischen Bürger*innen gestrichen, sodass sie nicht einmal die Möglichkeit haben Deutsch zu lernen. Sie sollen sich doch ein Wörterbuch kaufen, das wäre ja kostensparender. Es zeigt auf, welchen Schikanen und Demütigungen die Gefangenen der Schließer*innen in der JVA Leipzig ausgesetzt sind.

Am 22. Mai 2024 kam der Beschluss vom Bundesgerichtshof Karlsruhe, dass Finns Revision verworfen wurde und das Urteil vom Landgericht Leipzig von drei Jahren und sechs Monaten rechtskräftig ist, und dass er nun in die zuständige Strafanstalt verlegt wird. Am 31. Mai 2024 wurde Finn in die JVA Waldheim verlegt. Finn ist aktuell im Zugangshaus, zunächst für 4-8 Wochen [Stand zum Redaktionsschluss]. Er hat weiterhin einen Einzelhaftraum und drei Stunden Aufschluss. Er kann seine Wäsche selbst waschen und mittags in Gemeinschaft sein Mittagessen essen. Der Antrag auf Selbstversorgung ist aktuell noch in Prüfung. Der Knast ist aber viel besser als in Leipzig. Finn hat sich gut in Waldheim eingelebt und wird auch bald eine Arbeit bekommen. 

Finns Revision hat hohe Kosten verursacht, also spendet gerne auf folgendes Konto:

Betreff: „Heibo-FreeFinn“
Name: Spenden & Aktion
IBAN DE29 5139 0000 0092 8818 06
BIC: VBMHDESF

Wir zeigen uns solidarisch mit Finn und protestieren gegen die unmenschlichen Haftbedingungen im Knast!
Finn freut sich über jeden Brief, der ankommt, denn damit wird seine Isolation kurz unterbrochen und der Knastalltag ein klein wenig bunter. Finn zeigt sich solidarisch mit allen politischen Gefangen und Untergetauchten!
Antifaschismus bleibt legitim & notwendig! Gegen jede Kriminalisierung linker Strukturen! Solidarität ist und bleibt unsere stärkste Waffe!
Egal ob drinnen oder draußen – wir sind weiterhin eins. Solidarität macht uns stark – Solidarität zu spüren hilft, Knast überstehen zu können.

Mehr Informationen zu Finn und seine Postadresse findet ihr unter:
www.freeFinn.org
Finn ist auch bei Google:
www.riseup.icu 

Quelle des Artikels:
https://rote-hilfe.de/sites/default/files/2024-08/RHZ_2024_3_Web.pdf

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