Wenige Tage vor dem Beginn des Angriffskrieges haben wir uns mit Gefährt*innen unter anderem aus der Ukraine ausgetauscht. Was tun im Falle des Kriegseintritts? Für uns war klar, dass wir dem Hilferuf unserer Freund*innen nachkommen. Wir sahen unsere Möglichkeiten der Unterstützung ganz konkret darin, eine Fundraising Kampagne zu starten und damit Operation Solidarity direkt in der Ukraine und Menschen auf der Flucht außerhalb zu unterstützen. Für uns war klar, dass es Aktivist*innen gibt, die bereits planten in der Ukraine zu bleiben und zu kämpfen. Damit haben wir uns klar positioniert und wurden dafür auch kritisiert. Deshalb wollen wir im Folgenden noch einmal darstellen, warum wir tun, was wir tun.
1) Wie könnt ihr als Anarchist*innen Krieg unterstützen?
Wir positionieren uns klar gegen diesen Krieg. Auslöser dieses Krieges ist der Machthunger, Imperialismus und Faschismus des Regimes Putin. Er und seine Anhänger wollen diesen Krieg, nicht die Menschen, die in der Ukraine leben.
Wenn wir also gegen diesen Krieg sind, stellt sich die Frage: Wie kann der Krieg beendet werden? Ein antimilatristischer Standpunkt legt nahe, dass sich die ukrainischen Streitkräfte ergeben und dem russischen Regime unterordnen könnten. Aus unserer Sicht führt das aber nicht zum Ende des Krieges, sondern würde Russland darin bestärken, weiter (z.B. nach Moldau oder Polen) zu expandieren.Da wir derzeit nicht mit einem Machtwechsel in Russland rechnen können, ist der einzige Ausweg aus unserer Sicht eine Niederlage Russlands. Diese kann unterschiedlich aussehen, beinhaltet jedoch in jedem Fall, dass sich die Menschen in der Ukraine bestmöglich militärisch gegen Russland verteidigen können.
Wir wollen also die Menschen in der Ukraine unterstützen, sich zu verteidigen und damit diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden.
Wir möchten uns außerdem nicht anmaßen zu entscheiden, ob es richtig ist, sich gegen Invasoren mit Waffengewalt zu schützen. Ob eine Person kämpft oder flieht, ist ihre Entscheidung. Uns ist es wichtig, dass sowohl kämpfende, als auch flüchtende Menschen unserere Unterstützung bekommen. Diese beiden Wege sollten unserer Meinung nach nicht gegeneinander ausgespielt werden!
2.) Wie könnt ihr als Anarchist*innen den Ukrainischen Staat/ Ukrainische Armee unterstützen?
Wir unterstützen weder den Staat, noch die Armee der Ukraine direkt. Unser Fokus liegt darauf, Menschen zu unterstützen, sich und ihr Zuhause gegen einen Invasionskrieg zu verteidigen. Es ist aber richtig, dass sich viele Menschen dazu entschieden haben, sich der Ukrainischen Armee oder den Territorialen Verteidigunseinheiten anzuschließen, weil es derzeit keine Alternativen in Form von unabhängigen Einheiten gibt.
2014 gab es im Donbass unabhängige Gruppen, die vor allem politisch rechts geprägt waren. Unter anderem deshalb hat sich der ukrainische Staat in den letzten Monaten darauf konzentriert, den Aufbau unabhängiger Gruppen zu unterbinden, bzw. diese in die Armee einzugliedern.
Für libertäre und anti-autoritäre Menschen ist die Entscheidungslage derzeit weder einfach noch widerspruchsfrei. Entweder sie bleiben ihren politischen Prinzipien treu und kämpfen nicht, oder sie gehen einen Kompromiss ein und schließen sich der militärischen Verteidigung an. Die Frage, ob es in Ordnung ist, gewisse Kompromisse einzugehen, um größere Ziele zu erreichen, begegnet uns in unserer politischen Organisierung immer wieder. In diesem Fall können wir es gut verstehen, wenn Menschen sich gegen ein Leben unter Putins Regime mit Waffen verteidigen wollen. Wenn eine Eingliederung in die ukrainische Armee für die Dauer der Kämpfe die einzige Möglichkeit ist, verstehen wir auch das. Es bleibt für uns jedoch wichtig und unausweichlich, weiterhin den ukrainischen Staat und somit auch seine Armee kritisch zu beobachten und nicht unreflektiert „abzufeiern“, weil sie grade „die Guten“ sind.