Obwohl der Vertrag von Lissabon die geheimdienstliche Zusammenarbeit ausklammert, kooperieren europäische Inlandsdienste mit Europol und einem Lagezentrum in Brüssel. Nächste Woche diskutiert der Rat für Justiz und Inneres die weitere Verzahnung mit dem operativen Arm des „Berner Club“.
Die Europäische Union will die Zusammenarbeit mit der Gruppe für Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Group, CTG) weiter vertiefen. Auf der kommenden Sitzung der Justiz- und InnenministerInnen in Brüssel soll die Gruppe abermals einen Bericht über die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung vorlegen. Anschließend ist ein „Gedankenaustausch“ geplant. Weil sich auch zwei Nicht-EU-Staaten in der CTG organisieren, findet der Rat für Justiz und Inneres im sogenannten Schengen-Format mit der Schweiz und Norwegen statt.
Die Geheimdienstgruppe wird seit vier Jahren regelmäßig zum Rat der Innen- und Justizminister eingeladen. Ihr letzter Bericht erfolgte beim gemeinsamen Treffen im Juni. Zu den Themen gehörten zurückkehrende Kämpfer aus Ländern wie Syrien und dem Irak und der angebliche Bedarf zur Entschlüsselung von Telekommunikation. Die CTG berichtete auch von Plänen, ihre derzeit auf islamistischen Terrorismus beschränkten Aufgaben auf weitere Bereiche auszudehnen.
Auch politische Reden im „Berner Club“
Die nach dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 gegründete CTG gehört nicht zur Europäischen Union und ist ein informeller Zusammenschluss von derzeit 30 Geheimdiensten. Sie untersteht dem „Berner Club“, in dem sich die Chefs von europäischen Inlandsgeheimdiensten organisieren. Aus Deutschland beteiligt sich die Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) an den halbjährlichen Treffen. Ein bekanntgewordenes Manuskript des damaligen BfV-Chefs Hans-Georg Maaßen hat offenbart, dass der „Berner Club“ neben strategischen Fragen der Terrorismusbekämpfung auch die politische Ausrichtung der Geheimdienstarbeit behandelt.
Vor vier Jahren erhielt die CTG schließlich eine physische Präsenz beim niederländischen Geheimdienst AIVD in Den Haag. In der dort geführten „operativen Plattform“ speichert die CTG auch Personendaten. Details hierzu sind streng geheim, lediglich die niederländische Datenschutz-Kontrollkommission hat einige Informationen dazu veröffentlicht. Die Geheimdienste der CTG-Mitgliedstaaten entsenden außerdem VerbindungsbeamtInnen nach Den Haag. Ein Sekretariat gibt es dort nicht, alle organisatorischen Aufgaben übernimmt der AIVD.
„Operative Plattform“ in Den Haag
Seit Einrichtung der „operativen Plattform“ lotet die EU Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit der CTG aus. Dabei geht es vor allem um den Datentausch zwischen Polizeien und Geheimdiensten. Im Gespräch war ein „Fusionszentrum“ mit der Polizeiagentur Europol, das allerdings nicht zustande kam. Weitere Möglichkeiten der Kooperation wurden auf einem Geheimdiensttreffen beraten, das der damalige Chef des Bundeskanzleramtes Peter Altmaier (CDU) organisiert hatte. Inzwischen wird der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung regelmäßig zur CTG eingeladen, laut dem Bundesinnenministerium nimmt auch die EU-Kommission an „ausgewählten Treffen“ teil.
Gemäß dem Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union allerdings kein Mandat für die Koordinierung von Geheimdiensten. Zwar betreibt sie mit dem INTCEN ein geheimdienstliches Lagezentrum in Brüssel, dort werden jedoch nur ausgewertete Berichte und Analysen aus den Mitgliedstaaten verarbeitet. Nach offizieller Lesart kooperieren also keine EU-Strukturen mit der CTG, sondern lediglich einzelne Inlandsgeheimdienste aus den Mitgliedstaaten.
Gemeinsame Übungen mit Europol
Dass die Kooperation jedoch deutlich weitgehender ist, lässt sich im Europol-Jahresbericht für 2018 nachlesen. Demnach hat die Polizeiagentur im vergangenen Jahr zwei hochrangige Treffen ausgerichtet, in den die CTG und Europol die gemeinsame Reaktion auf terroristische Vorfälle geübt haben. Zu den Teilnehmern gehörte neben dem Zentrum für Terrorismusbekämpfung (ECTC) auch das Zentrum für Migrantenschleusung (EMSC) bei Europol.
Die CTG kooperiert außerdem mit der Meldestelle für Internetinhalte bei Europol. Diese „allgemeine Zusammenarbeit“ zur Auswertung dort erlangter Erkenntnisse soll nun verbessert werden. Dem Bericht zufolge nimmt Europol mittlerweile auch regelmäßig an Treffen von Chefs der in der CTG vertretenen Inlandsgeheimdienste teil. Die Polizeiagentur hielt dort Vorträge über die „terroristische Nutzung von Internet und Social Media“ und Frauen und Kinder, die sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen haben.