Solidarität mit den G20-Gefangenen! Prozessbeginn am 18.12.2018 in Hamburg

Bis zu 170 Ermittler*innen arbeiten an hunderten Verfahren gegen Demonstrant*innen, die sich an Ausschreitungen und Plünderungen während des G20 in Hamburg beteiligt haben sollen. Der Staat verlor im Sommer 2017 die Kontrolle in Hamburg und versucht sie nun mitaller Macht zurückzugewinnen.

„Mit allen Mitteln“, war selten so wörtlich zu nehmen wie im Fall der G20-Verfahren. Harte Strafen wurden gefordert und in bisher über 40 Fällen auch verhängt. Eine Öffentlichkeitsfahndung von noch nie dagewesenem Ausmaß stellte über zweihundert Menschen mit vagen Verdachtsmomenten an den Pranger und die Boulevard-Presse spielte dabei bereitwillig „den Hilfssheriff“, in dem sie die unhaltbaren Fahndungen mit trugen, teils Minderjährige als schwere „Verbrecher“ deklarierten und bloß stellten. Zahlreiche Wohnungen und Häuser wurden mit hoch bedenklichen Begründungen durchsucht und ein linkes Medienportal vom Innenminister gleich gänzlich verboten.

Kurz bevor der G20-Gipfel zum ersten Mal jährte, kam es im Juni 2018 erneut zu Hausdurchsuchungen bei Aktivist*innen. Seitdem sitzen zwei Menschen aus dem Rhein-Main-Gebiet in Hamburg in Untersuchungshaft, zwei weitere wurden aufgrund des jungen Alters zunächst wieder freigelassen. Zusätzlich sitzt ein französischer Aktivist im Knast. Alle sind unter 25 Jahre alt.

Heute, am 18. Dezember, startete der Prozess gegen die fünf. Die deutschen Gerichte planen etwa dreißig Tage Anhörungen bis Mai nächsten Jahres. Der Zynismus von Polizei und Justiz ist in Anbetracht der Vorwürfe unerträglich. Denn vorgeworfen wird ihnen alleinig die Beteiligung an Aktionen in der Elbchaussee am Freitag morgen des Gipfelwochenendes.

Am frühen Morgen des ersten Gipfeltages machten einige hundertAktivist*innen ihrer Wut über die bestehenden Verhältnisse Luft undverdeutlichten ihre Unversöhnlichkeit unter anderem durch das Entglasen von Konsulaten, Banken und Ämtern und das Anzünden von Autos in der im Villenviertel gelegenen Elbchaussee. Obwohl es keinerlei polizeiliche Foto- oder Videoaufnahmen von den Geschehnissen gibt, hat die Polizei nun die 5 jungen Menschen als vermeintliche Täter*innen präsentiert. Die Vorwürfe –Brandstiftung, Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung – basieren auf einem „Bewegungsprofil“, das die Polizei über die Angeklagten erstellt haben will: Sie habe die Gruppe auch zu anderenGelegenheiten in Hamburg beobachten können, so etwa ganz ohne schwarze Vermummung beim Bäcker in Altona. Konkrete Taten werden ihnen nicht vorgeworfen, außer dass sie vor Ort gewesen sein sollen und einer der Beschuldigten eine Mülltonne auf die Straße gezogen habe.

Mit der Anklage wird ein weiteres Mal allein die vermeintliche Teilnahme am Protest, auf Basis von Indizienbeweisen, zu einem Straftatbestand erhoben und erneut veranschaulicht, dass im Nachklang des G20 eine harte Linie gegen Aktivist*innen gefahren wird. Es ist zu befürchten, dass auch diese Verhandlung politisch dazu dient, ein möglichst hohes Strafmaß zu erzielen und damit sowohl für folgende Prozesse Maßstäbe zu setzen, als auch ein abschreckendes Zeichen nach außen zu senden. Und zu diesem Zweck beabsichtigt der Staat, mehrere Jahre Gefängnis gegen die 5 jungen Angeklagten zu verhängen.

Die Akte zur Anklage ist zwar umfangreich, besteht aber hauptsächlich aus Hunderten von Seiten mit Beschreibungen der Schäden und dutzenden von Stunden an Videomaterial, die von „guten Hamburgern“ direkt an die Polizeigeliefert wurden. Was die „Evidenz“ betrifft, so ist sie für viele von ihnen von völlig neuer Art (Gesichtserkennungstechnologien, Bewegungsprofile, zufällige Korrelationen zwischen Bildern, die an verschiedenen Orten und Zeiten aufgenommen wurden, usw.), deren Bestandsfähigkeit vor Gericht ist noch immer abzuwarten.

Die Anklageschrift versucht deutlich, den politischen Inhalt der Proteste zu umgehen, um eine organisierte „kriminelle Bande“ in die Welt zu projizieren. Die Polizei möchte nach mehr
als einem Jahr Arbeit der eigens eingerichteten SoKo „Schwarzer Block“ gern Ergebnisse vorweisen, und das heißt „Schuldige“ bestrafen. Dieser Schauprozess muss begleitet und kritisiert werden!

Während des G20 sind wir, unsere Freund*innen, Nachbar*innen und Genoss*innen mit zehntausenden Anderen auf die Straße gegangen oder stützten den Protest auf verschiedenste Arten, im Anschluss gab es diverse Hausdurchsuchungen, Fahndungen und Verfahren, einige sitzen nun stellvertretend im Knast.

„Ich habe keine Worte, um das Leiden all jener Seelen zu beschreiben, die in Gleichgültigkeit gefangen sind“, schrieb Loïc Citation, einer der Angeklagten des jetzt beginnenden Verfahrens, der seit Oktober im Hamburger Holstenglacis in Untersuchungshaft einsitzt, nachdem er per Europäischem Haftbefehl von Frankreich ausgeliefert wurde. Loïc, welcher nach den internationalen Razzien im Mai in Frankreich, Italien, Schweiz und Spanien durch die Soko untergetaucht war, wurde am 18.08. in Nancy bei dem Versuch Angehörige zu besuchen festgenommen und ist seither inhaftiert.
Errichtet seine Worte an uns alle: „Das Gefängnis ist ein Horror, und wenn es fortbesteht, dann wegen Vorurteilen. Leider wecken wir die Flamme der Revolte nicht, indem wir ‚Feuer den Gefängnissen‘ schreiben, sondern indem wir das Gewissen jedes Einzelnen zu diesem Schluss bewegen.“

Wie er werden einige wenige Menschen mit hohen Strafen bedroht, aber es sind all unsere Bewegungen und Bemühungen um eine bessere Welt, die angegriffen werden. Wir rufen dazu auf, sich mit den Angeklagten zu solidarisieren, die konkreten Fälle von Repression zu thematisieren. Ob Filmvorführungen, Debatten, Diskussionen, Gedichte-Lesungen oder Blockaden vor Gericht, alle Mobilisierungen sind wichtig! Es geht darum, Verbündete zu finden und die Gerechtigkeit zu suchen.

Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir die Angeklagten und Gefangenen nicht vergessen haben. Schreibt Postkarten und Briefe, kommt zu den Prozessen und zeigt ihnen, dass wir sie mit dieser Repression nicht alleinlassen!

Betroffen sind wenige, gemeint sind wir alle!


Weitere Prozesstermine immer ab 9:30 Uhr: 8.1.19, 10.1.19,15.1.19 …
Amtsgericht Mitte, Sievekingplatz 3, Hamburg


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