Als Höhepunkt der Aktionswoche gegen das Polzeigesetz fand am vergangenen Samstag (17.11.2018) eine Demonstration statt. Diese startete am Hauptbahnhof und zog durch die Dresdner Innenstadt bis vor das Polizeirevier in der Schießgasse.
Dabei bildeten wir zusammen mit unseren Mitstreiter*innen von der FAU und anderen anarchistischen Menschen den libertären Block, welcher mit einem Hoch-Transparent und zahlreichen Fahnen geschmückt war. Dies war ein deutliches Zeichen, um antiautoritäre Kräfte im Kampf gegen das Polzeigesetz sichtbar zu machen und ein wichtiger Kontrapunkt gegen die zahlreichen Parteifahnen, die auf der Demo ebenfalls zu sehen waren.
Ab 14 Uhr versamelten sich mehrere hundert Menschen am Wiener Platz. Eine knappe Stunde später ging es los, über die St.Petersburger Straße in nördlicher Richtung. Zu dieser Zeit war der Demonstrationszug auf gut 1500 Menschen angewachsen. Viele hatten Schilder, Transparente, Fahnen oder selbstgebastelte „Gimmicks“ wie Pappkameras dabei, so dass der Demonstrationszug ein sehr diverses und buntes Bild abgab. Noch farbenfroher wurde es, als ungefähr auf Höhe des UFA-Palasts ein Rauchtopf gezündet wurde. Es sollte nicht der letzte an diesem Tag gewesen sein.
Auf Höhe der Bürgerwiese bog die Demonstration links ab, auf den Dr.Külz-Ring, um zum Zwischenkundgebungsort vor der Altmarktgalerie zu gelangen. Dort zeigte dann die sächsische Polzei einmal mehr, warum sie so verrufen ist. Sie fotografierte mehrere kurdische Genoss*innen, wegen ihrer YPG-und YPJ-Fahnen, obwohl diese ausdrücklich nicht verboten sind. Kurze Zeit später wurden diese Personen, nachdem sie die Demo verlassen hatten, von der Polizei aus der Straßenbahn gezogen und kontrolliert. Eine grundlose Eskalation von Seiten der Cops und einmal mehr der Beweis, dass mit allen Mitteln versucht wird, den kurdischen Befreiungskampf und die politische Arbeit von Migrant*innen zu kriminalisieren.
Mehrere Redebeiträge wiesen auf die Gefahren des Polizeigesetzes in Bezug auf Freiheitsrechte, Militarisierung der Polzei, Willkür, Überwachung und vieles mehr hin. Es wurden während der gesamten Zeit am Rande der Demonstration Flyer verteilt und das Gespräche mit Passant*innen gesucht.
Als sich der Protestzug in Richtung Postplatz wieder in Bewegung setzte, schienen viele Teilnehmende aufgetaut zu sein und es wurde von diesem Zeitpunkt an mehrmals sehr laut, sodass ein entschlossenes Zeichen gegen die autoritären Gesetzesverschärfungen gesetzt wurde. Die Route ging weiter über die Wilsdruffer Straße, zum Kulturpalast. Von dort über den Fürstenzug, den Neumarkt bis schließlich in die Schießgasse vors Polizeipräsidium, wo unter anderem das Anarchistische Netzwerk Dresden seinen Redebeitrag verlas und die Demonstration gegen 18:00 beendet wurde.
Auch nach der Demo ließ es sich die Polizei nicht nehmen, ihre Machtposition zu untermauern. Vom Veranstaltungsleiter wurde die Personalien kontrolliert. Die Cops wollen nun prüfen, ob gegen Veranstaltungsauflagen verstoßen wurde. Der Vorwurf der zu langen Seitentranspis wirkt an den Haaren herbeigezogen. Darüber hinaus soll die Demo an einer Stelle von der festgelegten Route abgewichen sein. Dies zeigt deutlich das Konzept der Polizei, Protest gegen das neue Polizeigesetz schon von vorne herein zu behindern. Das repressive Auftreten bei einer Demonstration, wo die Polizei selbst im Fokus steht, spricht für sich.
Nichtsdestotrotz war es ein erfolgreicher, schöner und empowernder Tag. Mit so vielen Menschen hatten viele von uns nicht gerechnet und auch die Vielfältigkeit der Leute, welche sich dem Protest anschlossen, war beeindruckend.
Es zeigt eben doch, dass nicht alle Menschen hinnehmen wollen, dass ein neues, extrem repressives Polizeigesetz verabschiedet wird, welches verschiedene Grundrechte angreift und der Polizei noch mehr Handlungspielraum und Machtkompetenzen geben möchte, als die, über welche sie sowieso schon verfügt. In diesem Sinne: GEGEN DAS NEUE SÄCHSISCHE POLIZEIGESETZ!!!
Liebe Genoss*innen,
ich bin von eurem Vorgehen und eurem Artikel enttäuscht. Ich war selbst auf der Demo und muss sagen, dass ihr im Grunde die gleiche Politik macht, die ihr den Parteien vorwerft: Ihr seid eine Hand voll Leuten (bei einem eigenen Block wären leider wir vielleicht max. 50), verteilt eure Fahnen, macht Fotos und schreibt dann im Netz, dass ihr einen libertären Block gehabt hättet. Das ist totaler Käse. Das könnte man auch inhaltliches kidnapping nennen. Genau wie es die großen NGOs und Parteien immer wieder probieren. Ehrlich – ich weiß nicht wo der Unterschied zu einer MLPD ist, die sich auch in die Massen stellt und dann ein Foto ihrer Fahnen und Banner macht, um nachher im Netz und ihren Printmedien zu sagen, sie hätten das organisiert. Als Anarchist schäme ich mich regelrecht für eure Behauptungen!
An diesem Tag haben sich Parteien und NGOs echt zurückgehalten und von „zahlreichen Parteifahnen“ zu sprechen ist blanke Übertreibung. Anstatt sich richtig in den Protest reinzuhängen und mitzuhelfen, „organisiert“ ihr (besser: ihr ruft nur im Netz dazu auf) kurz vor der Demo einen eigenen Block und macht eigene (weil natürlich rein anarchistische) „Basteltreffen“ für Gimmiks wie Kameras usw. Wie wäre es damit zu gemeinsamen Vorbereitungen aufzurufen? Solche gemeinsamen Treffen (auch mit Menschen die in Parteien und NGOs sind) wären ja auch ne Chance über Organisationsformen jenseits von Parteien und NGOs zu sprechen, bzw. zu zeigen, dass eine libertäre Organisierung der bessere, weil solidarischere und gleichberechtigtere Weg ist. Aber die „normalen“ Leute haben wahrscheinlich eine zu stark unanarchistische Identität, das geht dann ja nicht klar 😉
Ihr solltet euch mal fragen warum „der Demonstrationszug ein sehr diverses und buntes Bild abgab“. Das liegt wohl genau an dem breiten Spektrum der Organisationsformen die da zusammenlaufen. Da liegt viel Arbeit drin die alle zusammenzubringen – gerade in Sachsen/Dresden. Eine Arbeit die, so wie ich gehört habe, ihr wohl kaum leistet und euch lieber weiter gesellschaftlich marginalisiert. Anstatt gesellschaftlich zu arbeiten, das heißt auch gesellschaftliche Realitäten in der politischen Organisierung vieler Menschen anzuerkennen und einzubinden, grenzt ihr euch von den anderen ab. Kritik an Parteien ist notwendig und richtig aber hier geht es um einen pragmatisch und reformistischen Kampf gegen das Gesetz. Es geht um Realpolitik und da haben Parteien und das Parlament einen Einfluss. Da muss man schon sehr weltfremd sein, um das zu leugnen oder zu denken, dass wir das Gesetz mit unseren wenigen Leuten stoppen könnten.
Lag nicht vor kurzem die Broschüre „the struggle is not for martyrdom but for life“ [2] im Malobeo aus. Solltet ihr vielleicht mal lesen und nicht nur auslegen. Das Interview zeigt, dass es Situationen geben kann, in denen es taktisch sehr klug ist, pragmatisch vorzugehen. Das muss nicht heißen seine Strategie und Ziele aufzugeben. Es heißt lediglich Dogmatismus und identitätre Politik aufzugeben und dadurch vielleicht auch mal in der Realität etwas zu erreichen. Aber denkt ruhig weiter, dass eure schwarz-roten Fahnen der Weißheit letzter Schluss sind. Wickelt euch am besten damit ein und bildet den vermeintlichen „Kontrapunkt“ zu den anderen Fahnenliebhaber*innen, wenn ihr meint, dass das etwas bringt.
Euer Vorgehen und der Bericht sind nicht sonderlich solidarisch und ich frage mich, warum ich mit euch Tee für mehr Solidarität trinken sollte [2], wenn ihr selbst nicht in der Lage seid solidarisch zu handeln. Macht mal weiter eure identitäre Politik, denkt weiter alle anderen sind dumm und schießt euch ins Abseits. Viel Spaß dabei!
Enttäuschte schwarz-rote Grüße aus der Provinz.
[1] https://abcdd.org/2018/11/21/solidaritea-tee-trinken-mit-dem-abc-fur-mehr-solidaritat/ [2]https://crimethinc.com/2017/04/18/the-struggle-is-not-for-martyrdom-but-for-life
Lieber Gefährtin,
Ich verstehe deine Kritik und deinen Wunsch nach undogmatischer libertärer Politik. Die ewige Diskussion mit den Parteifahnen und der Beteiligung von Parteien in Bündnissen geht mir ehrlich gesagt auch auf den Kranz. Anarchistische Identitätspolitik nervt mich, wie jede andere Identitätspolitik ziemlich ab. Wo jedoch das Problem sein soll, selbst Fahnen und andere Ausdrucksmittel mitzubringen (oder auch gemeinsam zu basteln) um eben die eignen Inhalte innerhalb dieser Demonstration sichtbar zu machen erschließt sich mir nicht. Auch das gemeinsame Basteln von Demountensilien in kleinerer Runde ist Gang und Gebe und hat erstmal per sè nix mit Abgrenzung zu tun. Hab ich mit meiner Bezugsgruppe auch schon gemacht und nicht jeden dazu eingeladen. 😉 Ebenfalls ist es relativ normal, bei einer größeren Demonstration, die eben spektrenübergreifend ist, verschiedene Blöcke zu bilden. Bsp. die Abschlussdemonstration zum G20-Gipfel. Vermutlich wirkt das ganze etwas komisch, da der libertäre Block an diesem Tag der einzige war. Ich habe den realtiv kurzen ersten Absatz in diesem Text übrigens nicht so unsolidarisch wahrgenommen wie du. Einen bewussten Kontrapunkt zu setzen, weil man Parteien in ihrer Funktion im jetzigen System zu setzen bedeutet noch keine Entsolidarisierung. So wie ich das hier auf dieser Website rauslese ist das ABC Dresden an verschiedenen Bündnissen beteiligt. Unter anderem wohl auch bei jenen, die sich gegründet haben um das Polizeigesetz zu stoppen. Ich denke dass die Menschen dort mit Sicherheit gemeinsam mit allen Bündnisspartnerinnen gemeinsam gegen das Polizeigesetz kämpfen. Vieles von dem was dort geschieht siehst du vielleicht einfach nicht, weswegen ich es etwas kurzgegriffen finde den Leuten aufgrund einer Erfahrung auf einer Demo und eines Berichtes dazu Dogmatismus und Identitätspolitik zu unterstellen. Eventuell führt dich dein Weg ja doch mal zu einer Veranstaltung des ABC und du redest mit den Menschen. Da könnte schon einiges aus der Welt geschafft werden, denke ich.
Solidarische Grüße
Ps.: Danke dafür, dass du die Fahne auf dem Land hochhälst. Ich weiß aus eigener Erfahrung wie schwierig das sein kann. Bleib stark!
Die Demonstration war großartig!
Für Leute, die „Realpolitik“ betreiben wollen – sollten sie zumindest Wikipedia über den Begriff lesen – https://de.wikipedia.org/wiki/Realpolitik
Bei der Demonstration wurden Anarchisten mit maximal einigen Dutzend Leuten vorgestellt – nicht genug, um etwas zu tun, über das Sie sprechen. Online gibt es nicht so viele Bilder mit anarchistischen Fahnen, um Ihren Anspruch zu unterstützen.
Vergleichen es mit Präsenz von politischen Parteien im Netzwerk, und vielleicht würde dieser riesige Text überhaupt nicht notwendig.
Ich kann der Kritik aus dem ersten Kommentar nur zustimmen…
Dazu kommt noch dass ich denke mit dieser linken Bündnispolitik ist kein sächsisches Polizeigesetz zu verhindern. Schaut euch mal die Bündnisse in anderen Bundesländern an, die sind wesentlich inkludierender und breiter aufgestellt. Identitätspolitik grenzt halt aus, weiß manchmal nicht ob das den am Bündnis beteiligten Personen klar ist.