In einem Interview mit Current Time TV gab Dmitry Buchenkov, letzter Angeklagter des „Bolotnaya Square“-Falles bekannt, dass er Russland verlassen und in ein Land der Europäischen Union geflohen sei. Dort habe er Asyl beantragt. Buchenkov gab aber nicht bekannt, in welches Land er geflohen ist.
„Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich nicht so bald wieder nach Hause werden zurückkehren können. Ich würde trotzdem nicht sagen, dass es mir leicht fiel, das Land zu verlassen. Denn psychologisch gesehen wollte ich nicht weg“, merkte er an. „Das Regime und das ganze Justizsystem zwangen mich jedoch dazu, diesen Schritt zu ergreifen.“ Er fügte hinzu, dass er derzeit keinen Kontakt zu seiner Familie habe. Auf die Frage, wie es ihm gelungen sei, die russische Grenze zu überwinden, erwiderte Buchenkov, dass er „weder die erste noch die letzte Person gewesen [sei], die das unter diesen Umständen machen [würde]“.
Buchenkov zufolge handelte es sich bei dem „Bolotnaya Square“-Fall von Vornherein um einen „politischen“ Prozess. Er sagte, dass nachdem er unter Hausarrest gestellt wurde, er „sechs Monate lang beobachtete, wie sich der Prozess um [ihn] herum entwickelte“, und er davon überzeugt sei, dass ein Schuldspruch in der Schublade wartete. Er sagte, er sei während einer „kurzen Tauphase“ von der Untersuchungshaft in den Hausarrest geschickt worden. Dabei sei ihm keine elektronische Fußfessel angelegt worden, weil die Haftanstalt keine mehr gehabt hätte. „Ich denke, die Kriminalbeamten haben lange gewusst, dass sie den Falschen geschnappt hatten. Aber da war es für einen Rückzieher schon zu spät“, sagte Buchenkov.
Am Morgen des 9. November tauchte Buchenkov zu einer Anhörung am Zamoskvorechye-Bezirksgericht nicht auf, vor dem er wegen Randalierens angeklagt war. Die Strafvollzugsbehörde beschuldigte ihn daraufhin der Flucht, schreibt Current Time. Die Sprecherin der Strafvollzugsbehörde, Natalya Bakharina, sagte, dass der Angeklagte geflüchtet sei, da er in seiner Wohnung nicht angetroffen wurde. Dort wohne seit dem 5. November eine andere Familie, der die Schlüssel Ende Oktober überreicht wurden. Buchenkovs Anwalt Ilya Novikov weigerte sich vorerst, das Geschehen zu kommentieren. Buchenkovs zweite Anwältin, Svetlana Sidorkina, gab gegenüber RBC jedoch zu Protokoll, sie habe nicht von der Abreise ihres Klienten aus Russland gewusst.
„Ich weiß nichts darüber. Ich weiß nur, dass er heute nicht zur Anhörung kam, bei der entschieden werden sollte, ob die forensische Beweisaufnahme fortgesetzt werden sollte oder nicht“, sagte Sidorkina. Ihren Angaben zufolge entschied das Gericht, die Anhörung zu verschieben, da Buchenkov nicht anwesend war.
Bei einer Anhörung vor dem Zamoskvorechye-Bezirksgericht im April bekannte sich Buchenkov nicht schuldig hinsichtlich der Vorwürfe, er habe an Straßenschlachten mit der Polizei teilgenommen. Er war beschuldigt worden, sechs Beamte des Innenministeriums angegriffen und Schaden in Höhe von 73800 Rubel an einem Geschäft für mobile Toiletten in der Nähe des Bolotnaya-Platzes in Moskau verursacht zu haben. Buchenkov, ein 38-jähriger Anarchist und Geschichtslehrer, wurde verhaftet und im Dezember 2015 in Untersuchungshaft gesteckt. Damit wurde er zum 34. Angeklagten im „Bolotnaya Square“-Fall. Später entließt ihn ein Moskauer Bezirksgericht aus der Untersuchungshaft und stellte ihn unter Hausarrest. Buchenkovs Anwält*innen sagten, ihr Mandant sei am 6. Mai 2012 gar nicht in Moskau gewesen. Dies bestätigten Buchenkovs Angehörige in Nizhny Novgorod.
Der Verteidigung zufolge hätten die Kriminalbeamtinnen, die Buchenkov vorgeblich auf Videoaufnahmen der Protestkundgebung am 6. Mai 2012 erkannt hätten, ihn mit einer anderen Person verwechselt. Seine Anwältinnen versuchten, höher aufgelöste Aufnahmen als Beweismaterial in die Untersuchung einzubringen, was von den Beamt*innen jedoch abgelehnt wurde.