Am 27. April 2017 fand am Landgericht Görlitz der Berufungsprozess des Anarchisten Clumsy statt.
Clumsy beteiligte sich letztes Jahr am Pfingstwochenende im Rahmen der Ende Gelände Proteste an einer Gleisblockade, wurde bei der Räumung von LAUtonomia wegen Hausfriedensbruchs festgenommen und musste fast acht Wochen in Untersuchungshaft verbringen. Ihm wurde von der Staatsanwaltschaft Störung öffentlicher Betriebe nach § 316b sowie schwerer Hausfriedensbruch vorgeworfen. Im Juli letzten Jahres wurde er zu 120 Tagessätzen zu je 13€ verurteilt, wovon die Tage, die er im Knast sitzen musste abgezogen wurden. Gegen diese Entscheidung legte Clumsy Widerspruch ein. Das Verfahren wurde gegen Auflagen eingestellt. Der Richter äußerte bereits vor dem Prozess, dass er kein Interesse an einer Strafverfolgung hat und regte daher an, das Verfahren gemäß §153 Abs.2 StPO einzustellen. Wenig überraschend lehnte die Staatsanwaltschaft diesen Vorschlag ab, mit Verweis auf die finanziellen Einbußen von Vattenfall.
Für den heutigen Prozesstag waren demzufolge erneut vier Zeug*innen geladen, unter anderem Herr Haase, der bereits letztes Jahr interessante Einblicke in die sicherheitstechnischen Überlegungen von Vattenfall zum Besten gab. Dieser durchaus unterhaltsame Teil des Verfahrens wurde am Ende des Tages nicht wiederholt.
Nach dem der Richter Clumsys persönliche Daten abgefragt hatte, stellte er zusammenfassend das Urteil dar. Der Anwalt Clumsys äusserte sich zum Vorschlag der Einstellung des Verfahrens: Natürlich stehe die Verteidigung der Einstellung nicht im Weg, allerdings müsste auch die Staatsanwaltschaft eben dem zustimmen. Er wies die Staatsanwaltschaft ebenfalls daraufhin, dass er nicht verstehe warum diese sich Gedanken über die Vattenfall entstandenen Schäden mache. Die Staatsanwaltschaft hätte nicht die Aufgabe eine Interessenvertretung für diesen Konzern zu übernehmen.
Nun hatte Staatsanwalt Hensel das Wort, dieser hatte bereits die Haftbefehle unterschrieben, welche unter anderem Clumsy fast acht Wochen Untersuchungshaft einbrachten. Grundsätzlich sei er sehr weit entfernt von einer Einstellung des Verfahrens nach §153. Er halte dies für ein falsches Signal, betonte aber auch, dass es hier nicht um eine Bestrafung auf Grund von politischer Einstellung gehe, allerdings ziviler Ungehorsam nicht ungestraft stattfinden kann, da hier das Überschreiten von gesetzlichen Grenzen bewusst in Kauf genommen werde. Er sehe hier ganz klar eine Nötigung dem Konzern gegenüber sowohl dadurch, dass das Kraftwerk nur eingeschränkt arbeiten konnte, als auch dadurch, dass mit Statements wie „wir sind euer Investitionsrisiko“ im Vorhinein zu Protesten aufgerufen wurde.
Danach richtete der Staatsanwalt noch einmal ein persönliches Wort an Clumsy und meinte sinngemäß: in seinen Kreisen werde er nichts erreichen. Da würde ja auch kein vernünftiger Mensch mitmachen wollen. Und überhaupt hätten sie mit der Aktion alle auf die Seite von Vattenfall gebracht. In seiner arroganten und selbstgefälligen Art schlug er Clumsy vor arbeiten zu gehen, sich ein Elektroauto und eine Solaranlage zu kaufen und so die Umwelt zu retten. Ausserdem gab er den Hinweis, er könne ja Elektroingenieurswesen studieren und Alternativen entwickeln.
Nach diesem pädagogischen Vorstoß erkundigte sich der Richter, ob denn die Staatsanwaltschaft einer Einstellung nach §153a abgeneigt sei, heißt einer Einstellung unter Auflagen zustimmen würde. Dies konnte sich der Staatsanwalt vorstellen mit der Ausnahme, dass gemeinnützige Arbeitsstunden nicht in einer Umweltschutzorganisation abgeleistet würden, weil das ja dann doch eher im Sinne Clumsys wäre. Letzendlich wurde sich auf 120 Arbeitsstunden in einer Tierschutzeinrichtung geeinigt.
Während der Anwalt und Clumsy sich ausserhalb des Sitzungssaals bezüglich der Arbeitsstunden verständigten, war es dem Staatsanwalt noch wichtig zu erwähnen, dass es ja gut wäre noch zu beauflagen, dass Clumsy die Stunden auf jeden Fall über Pfingsten abzuleisten hätte, damit er beschäftigt wäre und eben an keinem der geplanten Proteste teilnehmen könnte. Da wir hier aber nicht bei wünsch dir was waren, kam es dazu dann aber doch nicht.
In der Urteilsbegründung verwies der Richter auf eine gerichtliche Entscheidung, die in einer ähnlichen Situation damals in Celle durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Im Zusammenhang mit Anti-Castorprotesten wurde am OLG Celle am 12.08.2003 der Vorwurf „Störung des Eisenbahnbetriebs und Nötigung durch Behinderung der Durchführung eines Castortransports durch den Eingriff in die Gleisanlagen“ verhandelt. Damals hatten sich ebenfalls Menschen unter dem Gleis angekettet um den Castortransport zu blockieren. Die Entscheidung des Landgerichts wurde damals am 30.09.2005 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Demnach ist „der Schwere der Tat im Rahmen der Strafzumessung Rechnung zu tragen, wobei die Verwarnung mit Strafvorbehalt nach § 59 StGB sowie die nach §§ 153, 153 a StPO vorgesehene Einstellung des Verfahrens eine dem Einzelfall angemessene, nicht übermäßige Reaktion ermöglichen.“
Nach fast acht Wochen Knast und mehreren Instanzen wird das Verfahren nach Ableistung der 120 Arbeitsstunden eingestellt. Die Frage der Verhältnismäßigkeit bleibt hier in jedem Fall auf der Strecke. Einmal mehr zeigt sich, wie der Staat versucht mit Repression Umweltproteste zu kriminalisieren und Knast als unzulässige Strafe eingesetzt wird bis das Verfahren beginnt.
Doch damit wird er wenig Erfolg haben, der Kampf gegen den Kohleabbau geht weiter, egal ob in der Lausitz, im Hambacher Forst oder mit den geplanten Massenprotesten, die auch für dieses Jahr wierder angekündigt sind.
Herzlichen Glückwunsch zur Einstellung des Verfahrens!